Vorab so viel: Die Suppe, der Eintopf und auch der Brei, wie wir sie heute verstehen, war nicht das Ernährungskonzept des Mittelalters. Auch wenn die Aussage „Getreidebrei war durch alle Bevölkerungsschichten hindurch ein Grundnahrungsmittel war“ stimmt, erzeugt es ein falsches Bild.
Nämlich das Bild, dass die mittelalterliche Küche nur und ausschließlich aus: Suppen, Eintöpfen und fader, überwürzter Pampe („Entschuldigung“) Brei besteht. Das Bild vom Kessel - in den alles einfach hineingeworfen wird - über dem Feuer passt auch zu gut in das Klischee des rückständigen Mittelalters und einer gewissen Lagerfeuerromantik und wird ergänzt durch: man besaß nur einen Löffel, man aß gemeinsam aus dem Topf und Essen konnten sich ohnehin nur die Reichen leisten, der Rest hat immer gehungert. Tatsächlich findet man solche Beschreibungen auch in der Fachliteratur. Sie beruhen auf Interpretationen der Historiker des 19. Jahrhunderts und nicht mehr Stand der Forschung heute. Leider fließen diese Aussagen aber immer wieder in neuere Publikationen ein.
Zwar ist, wie Fritz Ruf in seinem Artikel: „Die Suppe in der Geschichte der Ernährung“ schreibt, das Kochen von rohen Zutaten in Wasser (ca. 7500 v. Chr.) die Geburtsstunde der Suppe, aber die Menschen haben diese Zubereitungsart nicht als „Suppe kochen“ verstanden, sondern als Möglichkeit schwer verdauliche Lebensmittel besser verdaulich zu machen.
Das altnordische Wort supa bedeutet Brühe. Im althochdeutschen gibt es das Wort jussal, welches mit Brühe oder Suppe übersetzt wird. Das Wort suppe im mittelhochdeutschen kann ebenso Brühe oder auch Mahlzeit bedeutet. Wird von morgensuppe gesprochen, dann ist oft das Frühstück gemeint. Es ist zu beobachten, dass in der Literatur die Begriffe Tunke und Sauce und Brühe und Suppen vermischt und synonym verwendet werden. Dadurch entsteht der Eindruck, dass alles eins sei, obwohl es sich um Bestandteile eines Ganges, aber auch Zutaten handeln kann. Marx Rumpholt beschreibt in seinem New Kochbuch zwar eine stattliche Anzahl von Suppen, aber bis diese sich allgemein als Menübestandteil durchsetzen, dauert es bis ins 17. Jahrhundert. Erst mit Ludwig XIV, der als Zwischengang dünnflüssige Suppe bevorzugte, wurde sie in dieser Form populär.
Auch der Eintopf, wie wir ihn heute verstehen, ist nichts Mittelalterliches, sondern kommt erst mit der Jahrhundertwende zum Sattmachen von Armen und Soldaten etabliert worden. Die in einem Topf gekochten Gerichte des Mittelalters, lassen sich eher mit einem OnePotGericht vergleichen. Der Grundgedanke ist ein anderer als beim Eintopf.
Und dann ist da noch das Wort mûs oder muos. Bei diesem Wort handelt es sich um einen dieser sprachlich falschen Freunde. Mus kennt man. Zum Beispiel das: Apfelmus und es wird schnell kombiniert: Brei! Aber Brei bedeutet das Wort mus eben nicht. Es ist das Wort für Essen, Mahlzeit oder Gericht oder auch für Gemüse.
Als Beispiel das viel diskutierte Lauchmus. Wenn ich heute Lauch in Mandelmilch koche und es anschließend mit Mehl abbinde, koche ich ein Gemüsegericht und keine Suppe oder Brei. Koche ich es auf einer Veranstaltung, wird es immer wieder als Brei bezeichnet. Ebenso wenn ich ein Getreide koche. Dann entsteht eine Getreidegericht und nicht zwingend etwas, was wie Haferschleim anmutet.
Die Rezepte von Mus sind vielfältig: Früchten oder Nüssen, herzhaft mit Fleisch oder Fisch oder Innereien, aus Käse oder Eiern und Sahne. Auch die Konsistenz reicht von fast flüssig, schnittfest, breiig oder gebraten. Auch konnte Mus unterschiedliche Farben haben. Es gab es gefärbt – Von weiß bis schwarz, über gelb, rot, blau und grün. s. Artikel: Mus
Gekocht wurden in der Regel in Keramiktöpfen. Das uns so vertraute: Zwiebel anbraten und dann mit Flüssigkeit aufgießen funktioniert in diesen nicht. Sie würden kaputt gehen. Denn Keramiktöpfe müssen vor dem Kochvorgang vollständig befüllt und mit Wasser oder andere Flüssigkeiten aufgegossen sein. Das Kochen und die Verarbeitung der Lebensmittel erfolgten in einer anderen Reihenfolge als heute.
Viele Zubereitungstechniken, die wir heute kennen, wurden auch im Mittelalter angewendet. Einige Beispiele aus dem Buch von der guten Speise habe ich mal zusammengeschrieben und ins die moderne Kochsprach übersetzt. s. Artikel: Zubereitungstechniken .
Nur mal eben moderne Lebensmittel weglassen, ist noch nicht mittelalterlich kochen. Die mittelalterliche Küche ist eine Komponentenküche aus vielen einzelnen Speisen, die zusammen eine Mahlzeit oder ein Menü ergeben. Denn neben den Gerichten, die aus dem Kochtopf kommen, gibt es noch Gebackenes und Gebratenes.
Auch wenn ich oft danach gefragt werde. Eine Suppen-, Eintopf-, Breirezeptliste gibt es nicht. Tut mir leid.
www.woerterbuchnetz.de
M. Lexer. Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (Stuttgart, 1992).
F. Ruf, Die ältesten Formen der zubereiteten Nahrung in der Geschichte unserer Ernährung: Brei, Mus und Suppe (Velbert, 1989).
I. Bitsch, Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit : Vorträge eines interdisziplinären Symposions vom 10. - 13. Juni 1987 an der Justus-Liebig-Universität, Giessen (Sigmaringen, 1990).
Bild: DeTimmermansche - Jerusalemspeise und gekochter Hafer