Das Deutsch des Mittelalters unterscheidet sich deutlich von der heute gesprochenen und geschriebenen Sprache 1). Weiter gibt es erhebliche zeitliche und regionale Unterschiede.
Bei Originaltexten ergibt sich zunächst die Problematik der Schrift, bei transkribierten Texten, die der Sprache. Die Vielzahl der Kochrezeptquellen stammt aus der Zeit nach 1350.
In der Mitte des 14. Jahrhundert wird das Mittelhochdeutsch nach und nach vom Frühneuhochdeutschen abgelöst. Frühneuhochdeutsche Texte erscheinen in Aussprache und Satzbau schon vertrauter. Auch wenn es noch keine einheitlichen Schreibweisen gibt und Satzzeichen eher willkürlich gesetzt scheinen, lassen sich die Text doch erschließen. Tipp: laut lesen erleichtert manchmal das Entziffern einzelner Wörter. Die Lautmalerei kann helfen, muss aber nicht und die Bedeutung einzelner Wörter ist damit nicht geklärt. 2)
Kleine Unterschiede in der Schreibweise ergeben andere Wörter und bei falscher Übersetzung kommt es im Rezeptfall zu großen Unterschieden im Kochergebnis.
Am Tage vor Ostern habe ich Jerusalemspeise gekocht. Das Rezept ist im Buch von guter Speise (Rezept Nr. 62) zu finden und lautet wie folgt:
So du wilt machen ein guot vastenmuos, so nim bersige vnd dicke
mandelmilich drunder vnd suedez wol in mandelmilich vnd tuo denne
zvcker dor vf. Daz muos sol heizzen von Jerusalem.
vnd daz izzet man kalt oder warm.
So weit, so einfach, aber was sind bersige?
Auch das Wörterbuchprojekt der
UniTrier kann zunächst nicht helfen.
Bersige = Pfisiche vielleicht, wenn das es kein B sondern ein P ist und das g fränkisch als ch (wie bei Nürnberg und Nämberch) gesprochen wird !?
Wer Jerusalemspeise im Netz sucht, wird tatsächlich auch einen Mandelmilchspeise mit Pfirsich finden.
Tatsächlich handelt sich bei „bersigen“ aber um einen Fisch, um einen Barsch.
Über die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank ist unter dem Begriff Bergsinge der Fisch und der Pfirisch mit seinen unterschiedlichen Schreibweisen zu finden.
Der Pfirsich ist als pfersch unter „von ops“ gemeinsam mit pflumen und krisen im Regime Sanitatis oder als pfersich im den Konstanzer Kochrezepten mit dem Hinweis auf seinen Kern zu finden.
Die Barschfisch ist als bersinge oder der bersing,
persich, perschiche oder persich in verschieden Abschriften des Buchs von guter Speise und anderen Kochrezepten immer im Kontext mit Fisch, Fastenspeise und auch der Jerusalemspeise erwähnt.
1) und auch von dem, was auf Mittelaltermärkten als solches verkauft wird – das
Marktsprech ist ein Kunsprodukt.
2) Hiram Kümper, Materialwissenschaft Mediävistik, utb S. 36 ff
Bilder: DeTimmermansche - Jerusalemspeise und gekochter Hafer