Nicht immer ist drin was drauf steht

Nicht überall wo Mittelalter drauf steht, ist auch Mittelalter drin.

Rezepte von damals heute zu Hause gekocht. Was ist zu beachten?

Wie schmeckt das Mittelalter Teil 3:

geschrieben als Gastbeitrag für
IN TERRA VERITAS
veröffentlicht am 30.06.2022

Nicht auf allen Kochbüchern, auf denen Mittelalter steht, ist auch Mittelalter drin. Was ist beim Kochen von Rezepten von damals heute zu beachten? Und wieder ein Originalrezept zum Nachkochen…


Wer die Begriffe „Mittelalter“ und „Kochen“ in die Suchmasken der einschlägigen Onlinebücherportale eingibt, wird reichlich fündig. Die Auswahl ist groß und reicht von Büchern, die historische Rezepte für die Küche von heute aufbereiten, über Hexenkochbüchern, Schlemmen wie die Ritter, die Hildegardküche, Kesselkochen bis hin zur Küche im Auenland.


Doch die Küche des Mittleren Zeitalters des Waldviertels im Auenland in Mittelerde hat mit historischer Küche ebenso wenig zu tun, wie auch die Hildegardküche. Denn diese ist eine Erfindung der 1970er Jahre. Hildegard von Bingen war Universalgelehrte und eine außergewöhnliche Frau ihrer Zeit, aber sie war eben keine Köchin!

Kartoffeln, Tomaten, Paprika, Soja, Mais und Kakao waren im mittelalterlichen Europa noch unbekannt. Sind sie als Zutat in einem Rezept angegeben, dann stammt es entweder nicht aus dem Mittelalter oder es wurde über den Maßen modernisiert.


Dagegen sind Mandeln, Reis, Granatapfel, Zitronen, Weinbeeren, Feigen und Datteln häufige Zutaten, ebenso wie Stockfisch, Paradieskörner, Langer Pfeffer, Zimt oder Ingwer.


Aber alleine auf "moderne" Zutaten zu verzichten, ist noch nicht mittelalterlich kochen, denn der Charaktere des Geschmack des Mittelalters unterscheidet sich von dem heute. Da in den Kochbuchhandschriften des Mittelalters keine Mengen- und Zeitangaben gemacht wurden, helfen „Übersetzungen“ mittelalterlicher Rezepte in moderne Kochanweisungen. Trotzdem werden manche Zubereitungsarten oder Zutatenkombinationen heute seltsam erscheinen, wie zum Beispiel das Braten eines hartgekochten Eies in der Pfanne oder ein Rührei aus Eiern und Lebkuchen. Es ähnelt Rezepten aus fremden Ländern, doch es ist das Nachkochen einer anderen Zeit mit den Mitteln von heute. Es braucht nur ein wenig Mut sich darauf einzulassen. Viel Spaß beim Kochen und „Guten Appetit!“


Rezept: „Von jungem weißem Kraut“1 mit oder ohne Fleisch.

Nim junges weiß kraut und sneid es zu spalten, so leg es in den topph und laß es sied und geus das wasßer ab. So hab gesotenes vleisch in einem anderen toph, scheffeins oder rinderns und leg das kraut dann zu dem vleisch. So nym und seud ayr hert. So schel sie und röst sy dann gantz in einer phann. Wenn das kraut und das vleisch nehet gosoten sey, so tue die ayr darin und herten kese und laß das aber mit ain ander sied und mach das gar vaist. Wildu es aber machen nit mit vleisch, so leg darauf ayr vor gemacht in der phann mit dem ches und gibs hin.


Zutaten:
1 kleiner Weißkohl
375g Lamm- oder Rindfleisch
8 Eier
Fett zum Ausbacken
125g Hartkäse (zum Beispiel: Parmesan)
50 g Butter


Variante mit Fleisch
Den Weißkohl in 4 Teile aufschneiden, den dicken Strunk entfernen und die Viertel in Streifen schneiden. Den Kohl in Wasser bissfest kochen und anschließend Abgießen.
Das Fleisch kochen. Dann den Kohl zum Fleisch in die Fleischbrühe legen und gemeinsam weiterkochen. Die Eier hart kochen und schälen. Die ganzen Eier in Fett anbraten.
Die angebratenen Eier und den Käse mit in die Brühe zum Fleisch und Kraut geben und alles köcheln, bis der Käse geschmolzen ist. Umrühren nicht vergessen.
Zum Schluss die Butter zugeben und schmelzen lassen.
Nach Geschmack würzen*

Variante ohne Fleisch (vegetarisch)
Den Weißkohl in 4 Teile aufschneiden, den dicken Strunk entfernen und die Viertel in Streifen schneiden. Den Kohl in Wasser kochen.
Die Eier hart kochen und schälen. Die ganzen Eier in Fett anbraten.
Zum Schluss Eier und Käse auf das Kraut legen.
Nach Geschmack würzen*

*) Im Ursprungsrezept werden keine Gewürze erwähnt, das bedeutet aber nicht, dass diesem Essen keine zugefügt wurden. Salz zu verwenden, war im Mittelalter in allen sozialen Schichten eine Selbstverständlichkeit. Hartnäckig hält sich aber der Mythos, dass Salz im Mittelalter so teuer war, wie Gold.2 Dass dies nicht so war, kann auch hier nachgelesen werden.


Quellen:

1) aus: Doris Aichholzer, „Wildu machen ayn guet essen …“ Drei mittelhochdeutsche Kochbücher. Peter Lang Verlag, 1999, Rezept aus dem Dorotheenkloster, 14. Jh.
2) Vgl. Ernst Schubert, Essen und Trinken im Mittelalter, Darmstadt, 2006, S. 45 ff.
 

Umsetzung und Bilder: Claudia Zimmermann


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