Wenn es um Rezepte aus mittelalterlichen Kochbuchhandschriften geht, höre ich oft Sätze wie:
„In den Rezepten steht nicht drin‘ wie es gemacht wird …“,
„Da gibt es ja weder Mengen noch Zeiten …“
„Die Rezepte sind nicht zu gebrauchen …“.
Das stimmt so nicht.
In den Rezepten sind sehr wohl Zubereitungs – oder Kochanweisungen zu finden sind, wenn man weiß, hinter welcher Formulierung sie sich verbergen.
Bei vielen Kochbüchern handelt es sich um Werke von und für Köche, aber nicht immer.
Wissen wird vorausgesetzt, aber nicht zwingend.
Das Buch von der guter Speise ca. 1350 *1) richten sich speziell auch an Jene, die das Kochen lernen möchten und ist in vielen Punkten sehr genau.
Sinngemäß steht da im Vorwort:
Ich will euch im Kochen von Speisen unterrichten.
… der (Lernwillige) soll dieses Buch verwenden. Und soll sich nicht schämen, zu fragen, wenn er etwas nicht kann. So erhält er die Erfahrungen des "Weisen".
Wer kochen lernen will, der merke sich gerne dieses Buch.
So im Original:
[ … ] Ich wil vech vnderwisen von den kochespisen [ … ]
[ … ] der sol diz buoch vernemen vnd sol sich niht enschemen, ob er fraget des er niht enkan, des bescheit in schier ein wiser man. wer denn kochen woelle lerne, der sol diz buoch merken gerne.
Die differenzierten Garmethoden (wallen, kochen, sieden, schmelzen) in der Beschreibung sind nicht grundlos gewählt, sondern geben die Garmethode an, die zu dem gewünschten Ergebnis führt.
Bei meinen Kochrekonstruktionen bildet diese Einteilung eine Grundlage und Leitlinie.
Dennoch betrachte für meine Interpretation immer auch das Gesamtrezept, denn ich schließe nicht kategorisch aus, dass Begriffe doch synonym verwendet wurden.
Anhand von ausgewählten Textstellen aus dem Buch von guter Speise habe ich die Anweisungen im Originaltext mit denen noch heute bekannten Garmethoden zusammengebracht.
Rezept nummer *1) | Originaltext | Übersetzung *2) | Technik | Bedeutung |
---|---|---|---|---|
29 | vnd erwelle ez, biz es dicke werde | wallen lassen | Kochen | Garen in sprudelnder Flüssigkeit oder mit der eigenen Flüssigkeit bei ca. 100 Grad |
4 | vnd siede daz zvo sammene | sieden (in Verbindung mit Würsten und Klößen) | Sieden / köcheln oder simmern | Garen in Flüssigkeit bei ca. 100 Grad |
1 | … ein rein smaltz vnd spec vnde smeltze dazu | Schmalz und Speck schmelzen | Anschwitzen | Gargut in Fett braten, dabei soll es aber keine Farbe annehmen. |
44 | vnd scharbe gesoten spec dar zvo | Scheiben von gesottenem Speck | Sautieren | Kurzbraten unter schwenken in der Pfanne (auch für Gemüse möglich) |
43 | vnd brat den in smaltze oder in butern | brate in Schmalz oder Butter | Braten | Garten mittels Konaktwärme ab 120 Grad |
51 | backe die in smaltze | backe in Fett | (Backen) in der Pfanne | dto |
2 | sol man braten vf eime roste | braten auf dem Rost | Grillen | Garn mittels Strahlungswärme bei 300 und mehr |
5 | vnd suede ez denne in eime reinen smaltze | in Schmalz sieden | frittieren | Garen in Fett bei 140 bis 175 Grad |
5 a | vnd backe daz | in Verbindung mit Teig | Backen im Ofen | Garen in heißer Luft (Backofen) bei bis zu 300 Grad |
Anmerkung
Besonderheit des Wortes: gesotten
1. Bedeutung als Verb als Arbeitsanweisung
2. Bedeutung als Adjektiv als Zustandsbeschreibung des Kochguts
Weiter werden
Ziehen lassen, durchseien, Honig läutern, aufkochen, abkochen, Farce herstellen, dünsten, dörren, aufschlagen, durchschlagen, reduzieren, einbrennen und ...
genannt. Die Liste hat also Erweiterungspotenzial.
Dass in gedruckten Kochbüchern das „Handwerk“ im Detail erklärt wird, beginnt meines Wissens erst im späten 18. Jahrhundert. Den „Ratgeber“ mit Hintergrundwissen gibt es erst im 19. Jahrhundert *4). Exemplarisch nennen möchte ich 3 Werke nennen:
Augsburger Kochbuch in dem diese Entwicklung in der Auflagenfolge (Erste Auflage 1788 mit Auflagen bis ins 20. Jahrhundert) gut zu erkennen ist, Praktisches Kochbuch für Stadt und Land … von ca. 1883
und das Kochbuch von M. Aabels (1. Auflage 1887)
Quellen:
*1) https://www.uni-giessen.de/fbz/fb05/germanistik/absprache/sprachverwendung/gloning/tx/bvgs.htm
*2) http://mwv.uni-trier.de/de/die-digitalen-woerterbuecher/online/
*3) Lehrbuch der Küche von Philip Pauli, Pauli Fachbuchverlag AG, Der junge Koch/Die junge Köchin, Pfanneberg Verlag
*4) Hans Wiswe, Kulturgeschichte der Kochkunst, Heinz Moser Verlag
Foto: DeTimmermansche