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Kochbuchsprache

Zanzarelli und das Du im Kochrezept

Am 26. Februar 2022 im Geschichtspark Bärnau bei erfrischenden 5 Grad Raum(!)Temperatur gab es Zanzarellli aus dem Libro de Arte Coquinaria von Maestro Martino, ca. 1465. 1)


Wenn Du ein gut Zanzarelli willst machen: *)
Nimm‘ als Zutaten geriebenen Käse, Semmeln und Fleischbrühe mit Safran. Du brauchst eine Schüssel zum Mischen, einen Kessel und einen Rührlöffel. Vermische miteinander die Eier, den geriebenen Käse und Semmeln, die klein gerupft sind. Erhitze die Fleischbrühe und wenn diese zu kochen beginnt, gib die Mischung hinein. Rühre es gut und stetig, damit es Dir nicht anbrennt. Wenn es dick und zäh ist und Fäden ziehen, würze es mit Pfeffer und versalze es nicht. Teile aus und lass es schmecken. 


Warum klingen mittelalterliche Kochrezeptanweisungen so anders als moderne Kochrezepte?

 Mittelalterliche Rezepte sind größtenteils in der 2. Person Imperativ geschrieben. 2) Somit als direkte Anrede mit „Du“ gefolgt von der jeweiligen Aufforderung. Der Imperativ steht nicht automatische für einen Befehl oder Verbot, sondern wird auch für Anweisungen, Empfehlungen, Rat, Wünsche, Bitten, Mahnungen oder Warnungen verwendet. 3)
Im Gegensatz zu modernen Kochrezepten ist der Lesende oder der (Nach)Kochende bereits ins Kochgeschehen einbezogen und wird direkt angesprochen und zum Handeln aufgefordert, aber auch seine Aufmerksamkeit gelenkt oder zur Vorsicht ermahnt. Die Anweisungen sind auf das wesentliche beschränkt und oft in einfacher Sprache mit volkssprachlichen Elementen gehalten 4) (jedoch ohne auf differenzierende oder erklärende Details zu verzichten).

Ich bin der Auffassung, dass zwischen Verfasser und Leser eine persönliche eher wohlwollen Verbundenheit besteht und nicht unbedingt eine distanzierte oder hierarchisch und strenge Beziehung. Auch zu den Zutaten, der Umsetzung und dem fertigen Gericht wird eine alle Sinne ansprechende Beziehung eingegangen (ein gut Mus, mach es wohl, gib es hin).

In Kochrezepten ab Mitte des 19. Jahrhundert geht die persönliche Identifikation zum Kochen mit dem Pronomen „man“ verloren. Die Zutaten werden zum Subjekt, welche verarbeitet werden. 
Heute entsprechen Rezepte oft einer Art Formelsammlung. Zuerst die Zutaten mit möglichst exakter Mengenangabe und dann die Arbeitsschritte, dann Zeitangaben. Eine Anrede wird oft vollständig vermeiden.

Das Zanzarelli Rezept würde dann in etwa so lauten:

Zutaten für 10 Portionen:
8 Eier Größe M, 250g Bergkäse gerieben, 250g Semmelmehl, 1,75 l Rinderfond, 0,1 g Safran, 1 TL Salz, Pfeffer aus der Mühle
Arbeitsschritte:
1. Eier, geriebenen Käse und Semmelmehl mischen und einweichen lassen.
2. 0,25 l des Rinderfonds in einem kleinen Gefäß erwärmen und den Safran darin auslassen, den restlichen Fonds in einem Kochtopf erhitzen.
3. Safranauszug zur Brühe hinzugeben
4. Eier-Käse-Semmelmehl-Mischung in den fast kochenden Fonds geben
5. unter ständigem Rühren eindicken lassen
6. mit Salz und Pfeffer würzen

Kochzeit: 25 Minuten
Zubereitungszeit gesamt: 2,5 Stunden (inkl. Holzhacken und Anfeuern)

Quellen

 *) Mein Versuch einer hoffentlich verständlichen Rezeptanweisung des Zanzarellis nach der mittelalterlichen Kochrezeptsyntax.

 

 1) KoKuMu Kochkränzchen, Februar 2022, KochKulturMuseum.at

 2) Irmgard Bitsch, Trude Ehlert …, Essen und Trinken im Mittelalter und der Neuzeit, S. 261 ff.

 3) Duden, Ganz einfach! Grammatik, Dudenverlag, 2017

 4) Eva Hepp, Kulturgeschichte der Kochkunst, Heinz Moser Verlag, 1970

 

 Fotos: DeTimmermansche

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